Kreis Soest/Kreis Unna: Lebensraum Rapsfeld am 28.07.2010 (Meld./Beob.: Hubertus Illner, Quelle: www.abu-naturschutz.de)

28.Juli 2010

Hermann Knüwer berichtete über tausende Mauersegler über nicht abgeernteten Rapsfeldern bei Billmerich. Er machte dazu folgende Anmerkung „Warum über Rapsfeldern das Insektenvorkommen besonders gut zu sein scheint, ist mir völlig unklar, gelten Rapsflächen doch eher als artenarm.“ Vielleicht können meine Beobachtungen zur Erklärung des Phönomens beitragen.
Vereinzelte große sommerliche Ansammlungen von Mauerseglern über nicht abgeernteten Rapsfeldern kann ich bestätigen. An einem warmen Sommertag in den 1990er Jahren sah ich riesige Schwärme von zusammen grob geschätzt mehreren 10.000 Mauerseglern auf der nördlichen Haarabdachung bei Erwitte-Anröchte. Sie jagten überwiegend 2 bis 50 m hoch über den in Abreife befindlichen Rapsfeldern. Es waren über den Rapsfeldern vor allem massenhaft fliegende Blattläuse zu beobachten. Es hatten sich wohl in Anpassung an die verwelkenden Rapspflanzen, denen bald kein Pflanzensaft mehr abzusaugen war, vermehrt flugfähige Formen der Blattläuse gebildet. Inwieweit auch andere Insekten- und Spinnenarten als Nahrung der Mauersegler dienten, habe ich nicht näher untersucht. Allerdings zeigen meine umfangreichen Feldvogelkartierungen insbesondere im Biotopverbundprojekt Rüthener Haar von 1991 bis 2000, dass auch andere Vogelarten regelmäßig in der Brutzeit Rapsbestände nach Insekten absuchen.
Hervorzuheben sind hier vor allem Haussperlinge, die von den Haardörfern aus gezielt mehrere Hundert Meter entfernte Rapsfelder nach der Blüte anfliegen und von dort mit Schnäbeln voller Insekten zu den Brutplätzen im Dorf zurückfliegen. Oder es fliegen kleinere Verbände von 5 bis 25 alten und jungen Haussperlingen in Rapsfelder zur Nahrungssuche. Im gewissen Umfang konnte ich dies auch bei Feldsperlingen beobachten, die allerdings in diesem Projektgebiet auch seltenere Brutvögel waren. So weit erkennbar, wurden die Insekten an den Pflanzen abgesammelt (z.B. Schnaken), deren Stengel und Schoten ab einem gewissen Reifestadium auch gute Sitzstrukturen für die Sperlinge bieten.
Häufig konnte ich auch Dorngrasmücken und Schafstelzen bei der Nahrungssuche in Rapsbeständen beobachten, auch schon zur Zeit der Rapsblüte; vereinzelt brüteten Dorngrasmücken auch im Raps. Viele Gesangsnachweise auch schon in der Blühphase gelangen mir alljährlich von Heckenbraunellen in Rapsbeständen auch weitab von Gehölzen. Inwieweit es sich dabei tatsächlich um Bruten im Raps handelte, konnte ich nicht herausfinden. Ähnliches gilt auch für die Nachweise von früher relativ häufig im Raps singenden und Nahrung suchenden Rohr- und Grauammern, die allerdings inzwischen weitgehend aus der Hellwegbörde und vom Haarstrang verschwunden sind. Im Jahr 1996 mit einer Massenvermehrung der Gammaeule (die meisten Rapspflanzen waren mit ihren grünen Raupen übersät) kam es südlich von Menzel zur lokalen Bestandssteigerung auf 4-5 Brutpaare der Rohrammer; die Fütterung von Jungvögeln im Raps sah ich mehrfach. Susanne Klähr stellte in jenem Jahr in der Nestlingsnahrung von Grauammern in der Hellwegbörde häufig Raupen der Gammaeule fest.
Auch Sumpfrohrsänger suchen häufig Insektennahrung im Raps und singen dort auch häufig, allerdings meist am Rand in Anbindung an Linearstrukturen mit Hochstauden (vor allem Brennessel). Nur sehr selten konnte ich singende Sumpfrohrsänger im Raps weitab von Hochstauden beobachten und noch seltener Nestbau im Raps. In diesen Fällen handelte es sich um stark vor allem mit Kamille verkrautete Rapsbestände.
Ab Juli lassen sich auch häufig große Schwärme von über 1000 Staren im Raps beobachten, die meist am Boden nach Nahrung suchen. Vereinzelt habe ich auch gesehen, dass Starenschwärme auf niedergedrückten, abreifenden Rapspflanzen wie auf einem Teppich laufen und nach (Insekten?-) Nahrung suchen. Letzteres machen Drosseln so gut wie gar nicht, sie suchen weit überwiegend am Boden unter dem schützenden Rapspflanzendach nach Nahrung, vermutlich vor allem Regenwürmer und Schnecken, die im Raps für LAndwirte zur Plage werden können. Die meisten Brutvorkommen von Wacholderdrosseln auf der Rüthener Haar lagen nah an Rapsschlägen. Auch Amseln und Singdrosseln fliegen zum Teil mehrere Hundert entfernte Rapsschläge zur Nahrungssuche an und kommen mit vollen Schnäbeln zu ihren Bruten in den Hecken und Feldgehölzen zurück. Sie sind dabei sehr heimlich, vor allem die Singdrossel.
Meine Beobachtungen sprechen also für ein reiches Insektenleben in den Rapsbeständen auch nach dem Verblühen, was auch daran liegen mag, dass Insektizidanwendungen im Raps schon früh, vor der Blüte, aufhören, weil die bestäubenden Honigbienen nicht geschädigt werden sollen. Nur im Jahr 1996 mit einer Massenvermehrung der Gammaeule spritzten einige Landwirte auf der Rüthener Haar Insektizide noch in die abreifenden Rapsbestände und fuhren dabei sehr breite Fahrspuren in die verhakten Bestände. Blühender Raps zieht viele Insekten an, nicht nur Honigbienen. Ein weiterer Vorteil mag auch die sich ausbildende astartige Struktur der abreifenden Bestände sein, die auch nicht so gewandten Insektenjägern wie den Sperlingen den Zugang zu phytophagen Insekten und aus dem Boden geschlüpften Zweiflüglern erleichtern. Insektenforscher können sicherlich noch mehr zu dem Thema sagen.

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