Deutschland/Kreis Unna: Pressemitteilung Schmetterlingsmonitoring 2008 (Mitt.: Ralf Joest)

20.Februar 2009

Nachfolgend eine Pressemitteilung aus dem Monitoring des Umweltforschungszentrums Halle aus 2008, die im letzten Jahr offenbar nicht weit verbreitet wurde. Vielleicht ist sie für die Teilnehmer des Forums ja nochmal interessant, zumal die Faltersaison bald wieder losgeht. Frau Kühn, die das Monitoring koordiniert , erwähnte auch, das in Süddeutschland die Maisbeize, die das Bienensterben ausgelöst hat, eine Rolle gespielt hat:

„Ein Frühjahr ohne Schmetterlinge Welche Erklärungen liefert das Tagfalter-Monitoring?

Beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, das seit 2005 die bundesweite Zählung von Schmetterlingen koordiniert, gingen in den letzten Wochen Alarm-Meldungen aus allen Landesteilen ein: Es fliegen viel weniger Schmetterlinge als in anderen Jahren. Die 500 Freiwilligen im Tagfalter-Monitoring zählten auf ihren festgelegten Strecken im Durchschnitt nur halb so viele Individuen wie im gleichen Vorjahreszeitraum. Der Admiral und der Kleine Perlmutterfalter waren 2007 bis Anfang Juni zehnmal häufiger beobachtet worden als in diesem Jahr.  Josef Settele, Biodiversitätsforscher am UFZ, weiß, dass starke Populationsschwankungen bei Insekten nicht ungewöhnlich sind. Sie gehen in der Regel auf natürliche Ursachen wie ungünstige Witterung oder Parasitenbefall zurück. Bei solchen Schmetterlingen, die mehrere Generationen pro Jahr hervorbringen, kann man beobachten, dass spätere Generationen um so individuenreicher sind, wenn z.B. die erste Generation merklich dezimiert war. Bei Arten, die nur einen Entwicklungszyklus im Jahr durchlaufen, kann es hingegen mehrere Jahre dauern, bis sie sich von einem Einbruch der Bestände erholen. „In der Vergangenheit“,  so Elisabeth Kühn, Koordinatorin des Tagfalter-Monitoring, „richtete sich das Hauptaugenmerk auf die bereits gefährdeten Arten.“ Sie sind durch den fortschreitenden Lebensraumverlust – bedingt vor allem durch industrielle Land- und Forstwirtschaft, Flächenzerschneidung und -zersiedlung – permanent auf dem Rückzug. Wenn dann noch extreme Witterungsbedingungen hinzukommen, kann das das Aus für viele Populationen bedeuten. Genauso wichtig aber ist es, auch die vermeintlich häufigen Arten systematisch zu erfassen, wie es nun im Rahmen des Tagfalter-Monitoring geschieht. „Wirklich besorgniserregend ist, dass von der derzeitigen Falterarmut so viele Arten betroffen sind, darunter auch die bisher häufigen“, sagt die Koordinatorin des Langzeitprojektes.  Eine Nachfrage bei Fachleuten, die das Dauerbeobachtungsprogramm des UFZ unterstützen, bestätigt die Beobachtungen im Großen und Ganzen, wenngleich auch starke regionale Unterschiede zu Tage treten. Aus Schleswig-Holstein wird ein massiver Rückgang des Admirals, der Weißlinge und weiterer häufiger Arten gemeldet, während das Waldbrettspiel und der Aurorafalter stark vertreten sind. Im Saarland wurden Aurorafalter und Weißlinge häufig gesichtet, während alle weiteren Arten bisher auffällig selten waren. Aus Baden-Württemberg heißt es: kaum Admirale und Distelfalter, wenige Kleine Kohlweißlinge, Kleine Feuerfalter und Hauhechelbläulinge der ersten Generation. In Hessen ist bisher von einem ausgesprochen schwachen Schmetterlingsjahr die Rede, sowohl in Bezug auf die Individuen- als auch die Artenzahlen. In Brandenburg fliegen kaum Kleine Füchse und fast keine Weißlinge – andererseits war der Trauermantel im Frühjahr sehr verbreitet. Auch in Sachsen fiel die geringe Zahl der Weißlinge und Landkärtchen auf, während der Aurorafalter in normaler Häufigkeit auftrat. Woran liegt es, dass eine ganze Reihe häufiger Falterarten in diesem Jahr bisher so selten sind, während wenige andere Arten normal oder sogar überdurchschnittlich häufig auftreten? Steffen Caspari vom Zentrum für Biodokumentation im Saarland macht eine Kette von schlechten Wetterbedingungen dafür verantwortlich: „Die Saison 2007 begann mit einem viel zu heißen und trockenen April. Es folgte ein “schottischer“ Sommer mit viel Regen und niedrigen Temperaturen. Dann wurde es schon im September erheblich kühler und blieb kalt bis weit in den April 2008 hinein.“ Stark betroffen sind offensichtlich besonders die Arten, die im Puppestadium überwintern. Mit hoher Wahrscheinlichkeit reagieren andere Insektengruppen in ähnlicher Weise auf den untypischen Witterungsverlauf. In der Folge, so Caspari, beobachten wir weniger Fledermäuse, weil die kein Futter finden und gehen davon aus, dass auch die Vogelwelt betroffen sein wird. Außerdem ist auch mit Auswirkungen auf die Pflanzenwelt zu rechnen, da Insekten wichtige Bestäuber sind.  In Großbritannien und den Niederlanden werden Schmetterlinge schon seit Jahrzehnten gezählt. Die Erfassungsmethode ist dieselbe wie im Tagfalter-Monitoring in Deutschland.   Aus beiden Ländern gibt es Beispiele dafür, dass die Zahl der Falter einer Art binnen eines Jahres drastisch zurückging. Meistens erfolgte danach eine Erholung, wenn auch in der Regel nicht mehr bis zum Ausgangsniveau, was dazu führte, dass die langfristigen Trends für die meisten Arten nach unten zeigen. Bei einigen Arten konnte durch das Monitoring aber auch deren Verschwinden dokumentiert werden. Wenn man das Wie und Wo kennt, erleichtert das die Ursachenforschung. Die besondere Stärke der von Freiwilligen getragenen Dauerbeobachtungsprogramme liegt darin, dass auffällige Populationsentwicklungen frühzeitig erkannt werden und zwar nicht nur für seltene und gefährdete Arten, sondern auch für die vermeintlichen Allerweltsarten. Mit Spannung verfolgend die Schmetterlingszähler im Land wie auch die Forscher am UFZ, wie die Entwicklung in den nächsten Monaten (und Jahren) weitergeht.“

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